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Ein Stoff mit hoher Halbwertszeit (Teil I)
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Für den bayerischen Verein war es eine Premiere. Erstmals hat er die
Landesgrenzen übersprungen und in einem anderen Bundesland
konferiert. Die 3. Tagung „Begabtenförderung in Mathematik”
war von Donnerstag, 29.03. bis Samstag, 31.03.2001 an der
zweitältesten Hochschule Deutschlands, in Leipzig, zu Gast.
Veranstaltet wurde das mehrtägige Treffen vom Mathematischen
Institut der Fakultät für Mathematik und Informatik
zusammen mit dem Verein Begabtenförderung Mathematik e.V.
An den drei Tagen sind viele Initiativen und Materialien präsentiert
und diskutiert worden, allesamt mit nur einem einzigen Anliegen,
nämlich Jugendliche für Mathematik zu begeistern. Der
Hintergedanke dabei: „Wie lassen sich künftig wieder mehr
junge Menschen dazu bringen, Mathematik zu studieren oder einen
Mathematik anwendenden Studiengang zu ergreifen?” wie der
Hausherr der Tagung, Dekan Dr. Matthias Günther und Professor an
der Uni Leipzig, die knapp über Hundert Anwesenden begrüßte.
„Die Tagung ist ganz im Sinne des Sächsischen Staatsministeriums
für Kultus” ließ dessen Chef, Dr. Mathias Rößler in
einem weiteren Grußwort verkünden. Im Freistaat bedurfte
es nicht erst der „Dritten Internationalen Mathematik- und
Naturwissenschaftsstudie” (TIMS), deren Ergebnisse Anlass für
harte deutsche Selbstkritik boten. „Bereits Anfang der neunziger
Jahre hat mein Haus das „Sächsische Landeskomitee zur
Förderung mathem.-naturwiss. Begabter und interessierter
Schüler” berufen, das sich vor allem der Vorbereitung und
Durchführung der verschiedenen Stufen […] der Mathematik-Olympiaden
widmet”, schreibt Kultusminister Rößler.
Offenbar mit Erfolg, denn die Regionen Leipzig und Dresden boomen auf
dem High-Tech-Sektor.
Dem Tagungsort entsprechend ist ein hoher Anteil an Fördermaßnahmen
aus den neuen Bundesländern ins Rampenlicht gerückt worden.
Dort hat die Förderung mathematisch interessierter Schülerinnen
und Schüler auch eine viel längere Tradition als im Westen
der Republik. Und sie beginnt oftmals schon im frühen
Schüleralter.
Beispiel Begabtenförderung an Grundschulen im Regierungsbezirk
Chemnitz.
Dr. Helmut König, der Doyen auf dem Gebiet
mathematischer Talentsuche, gab einen kurzen Überblick zu
aktuellen Maßnahmen der außerunterrichtlichen
Begabtenförderung in der Primarstufe. Im Mittelpunkt stand dabei
der Inhalt eigens hierfür entwickelter Fördermaterialien
(Aufgabenblätter, Anleitungen für AG-Leiter uvm.).
In einem anschließenden Workshop durfte sich eine begrenzte
Anzahl von Teilnehmern damit vertraut machen, wie sich die
Vermittlung heuristischer Prinzipien altersgemäß und
effektiv gestalten lässt.
Ein ähnliches Projekt findet seit dem Herbst 1998 in Jena statt. In
wöchentlichen Zirkeln treffen sich dort Schüler aus
verschiedenen dritten Klassen in der AG „Mathe-Asse”.
Lehrerin Heidrun Ertel stellte die organisatorischen Maßnahmen,
Überlegungen und Ziele dieser Einrichtung vor. Der Student der
Pädagogik, Torsten Fritzlar, will seine Examensarbeit diesem
Projekt widmen. Anhand typischer Arbeitsmaterialien präsentierte
er erste Erfahrungen damit. Und diese sind überaus positiv.
Haupterkenntnis: die Mathematik übt in dieser Altersklasse eine
ungemeine Faszination aus. Dies scheint überhaupt der einzig
richtige Zeitpunkt zu sein, junge Leute für das Fach „heiß
zu machen”.
Beispiel Adam-Ries-Wettbewerb (ARW).
Dr. Norman Bitterlich, ebenfalls Chemnitz, sieht darin eine „zusätzliche
und erlebnisreiche Bewährungsprobe” für Fünftklässler.
Vor allem eröffnet eine erfolgreiche Teilnahme am ARW im
Folgejahr einen Start in die dritte Stufe der traditionellen
Mathematik-Olympiaden, die bislang nur Schülern ab
Jahrgangsstufe 7 vorbehalten war. Vieles greift also ineinander.
Wirksame Begabtenförderung kann nur funktionieren, wenn sie
frühzeitig erfolgt und verschränkt wird. Nur so kann
Spitzenförderung eine Breitenwirkung entfalten. Dies meinte auch
Peter Haase, der in einem Folgevortrag auf den besonderen
„erzieherischen Wert” des ARW einging. Wettbewerbsaufgaben
haben Pilotfunktion. Sie sollen vor allen Dingen jüngere Schüler
an Leitideen gewöhnen und müssen eine große
Variationsbreite im Schwierigkeitsgrad aufweisen. Erfreulicher
Nebeneffekt: die geschichtliche Entwicklung eines Gemeinwesens lässt
sich manchmal verblüffend genau in der jeweiligen Art der
Aufgabenstellung und des Rechnens zurück verfolgen. Herr Haase
hat dies exemplarisch an den Fragestellungen des Adam-Ries-Wettbewerbs aufgezeigt.
Die Biotope „mathematische Begabtenförderung” sind nicht
nur auf die Region Leipzig beschränkt, man findet sie verteilt
auf viele Plätze, im Osten häufiger als im Westen. Dr.
Marlen Fritsche, Universität Potsdam, sieht in
außerunterrichtlicher Arbeit mit Jüngeren folgerichtig
mehr als nur einen bloßen Ausgleich von stofflichen Defiziten.
Schülergesellschaften, Mathe-Clubs, Ferienlehrgänge
und Einzelförderung stellen vielmehr ernsthafte Aktionsformen
dar für eine Vorprägung auf spätere berufliche
Arbeitsweisen.
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