Liebe Wurzel-Redaktion,
es geht um den Brief von Lehrer Baumann
im Heft 3+4/2003, S. 84–85,
und seine beiden Fragen zur Computernutzung in der Mathematik.
Vorbemerkung: Den Beweis zu ι34 konnte ich nicht im
Detail nachvollziehen, da mir die Vertrautheit mit dem Programm
Derive 5 fehlt.
Zu den Fragen:
(i) Beinhaltet eine solche Lösung Mathematik-Verständnis – und zwar
im klassischen Sinn?
Die Lösung ist (in der Wurzel) sehr knapp dargestellt.
Im Gespräch mit der Schülerin dürfte sich sehr schnell
herausstellen, ob sie verstanden hat, was sie getan hat.
Wenn solch ein Gespräch positiv verläuft, hätte ich keine
Bedenken, ihr ein gutes Mathematik-Verständnis zu attestieren.
Beweise dieser Art würde ich akzeptieren, egal, ob sie mir
in einer Diplomarbeit oder einer Dissertation oder einer
“normalen” mathematischen Veröffentlichung oder in einem
Jugend-Forscht-Beitrag begegnen (soweit verständlich aufgeschrieben
bzw. übersetzt). Ich würde auch vom Autor
nicht unbedingt verlangen, dass er angibt, ob und welche
Computerprogramme er dabei benutzt hat.
Der Nachsatz in der Frage (“im klassischen Sinn”) drückt eine
gewisse Verunsicherung von Herrn Baumann aus. Ich hätte ihn weggelassen,
denn in der Mathematik sollte nur wahr und falsch
zählen und nicht, aus welcher Epoche oder aus welchem Kulturkreis eine
Beweistechnik stammt.
(ii) Sollen wir im Mathematikunterricht Lösungen dieser Art
erwarten – oder ist dies eine nicht förderungswürdige
Form des Mathematik-Treibens?
“Erwarten” geht wohl zu weit, denn nicht jeder Schüler wird
solche Beweise hinbekommen. Erfreut zur Kenntnis nehmen sollte man
sie aber und auf jeden Fall Schüler ermuntern und fördern, die
sich in dieser Richtung versuchen.
Ein Querverweis aus der Schachwelt:
Ich selbst spiele seit der Kindheit intensiv Schach und habe
seit Ende der 1970er Jahre aktiv verfolgt, wie Schachcomputer und
Schachprogramme beim Analysieren von Schachstellungen eine immer
größere Rolle bekommen haben (im Fernschach und im Nahschach).
Dadurch ist auch das allgemeine menschliche Leistungsniveau (von
der Club- bis zur Weltmeister-Ebene) deutlich gestiegen. Niemand
Geringerer als Garry Kasparow hat dieses wiederholt in Interviews
betont.
Möglicherweise steht der Mathematik-Welt eine ähnlich deutliche
Leistungssteigerung bevor, vor allem, wenn die Computerhilfsmittel noch
bequemer handhabbar werden als sie es bisher sind. Ich würde es
begrüßen.
Prof. Ingo Althöfer, Jena
Gegen die Benutzung von DERIVE zur Ausführung von Rechnungen ist nichts
einzuwenden. Wenn diese Erfolg haben sollen, muss der Schüler wissen, was
zu berechnen ist, er muss also das Procedere kennen. Das ist der entscheidende
Teil einer Aufgabe oder eines Beweises.
Allerdings: Sich bei Rechnungen
ausschließlich auf den PC (oder auch TR) zu beschränken, ist kontraproduktiv.
Ich bin fest davon überzeugt: Hätte Gauß nicht so viel gerechnet und schon
einen Taschenrechner zur Verfügung gehabt, wäre er nicht so produktiv gewesen.
Man sollte also in der Schule auch auf Rechenfertigkeit (Gleichungen lösen etc.) achten.
Peter Baum, Kassel
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