Ein Mathematiklehrer aus Celle hat sich mit einer Fragestellung zum
Thema Computereinsatz kontra klassische Mathematik an die Redaktion
gewandt. Da ihn auch besonders die Meinung der Wurzel-Leser
und -Autoren interessiert, möchten wir seinen Brief als Diskussionsaufruf
veröffentlichen und würden gern die Reaktionen in einem späteren
Heft zusammenfassen. Antworten können Sie uns wie üblich
per Post oder e-Mail zukommen lassen.
Herr R. Baumann schrieb uns Folgendes (Auszug):
Meine Beobachtung: Mit Computerunterstützung können durchschnittliche
Schüler Aufgaben lösen, die für sie ohne diese Hilfe unzugänglich
sind. Zur Illustration füge ich eine Lösung einer Schülerin für die
Aufgabe ι 34 an. Natürlich wird die von Ihnen
später publizierte Lösung um Vieles kürzer und eleganter sein.
Bemerkenswert scheint mir daran zu sein, dass die Schülerin
rein begrifflich argumentiert, d.h. keinerlei Formeln (z.B. für die
Parabeltangenten) verwendet, dass sie vielmehr das Hantieren mit Formeln
vollständig dem Computeralgebrasystem überlässt.
Meine Frage: Beinhaltet eine solche Lösung Mathematikverständnis
– und zwar im “klassischen” Sinn? Sollen wir im
Mathematikunterricht Lösungen dieser Art erwarten – oder ist dies eine
nicht förderungswürdige Form des Mathematik-Treibens?
Aufgabe ι 34 (Wurzel Heft 7/02):
Zwei beliebige Tangenten der Parabel y = ax2
schließen mit der x-Achse ein Dreieck ein. Man beweise, dass der Umkreis
dieses Dreiecks durch den Brennpunkt der Parabel geht.
Lösung mit Derive 5:
Zunächst bestimme ich die Tangenten an den Stellen x1
und x2 von f(a,x) = ax2
und rechne ihre Schnittpunkte aus:
#1: f(a,x) := a*x^2
#2: Brennpunkt(a) := [0,1/(4*a)]
#3: Tangente(a,x0) := y=f(a,x0)+SUBST(DIF(f(a,x),x),x,x0)*(x-x0)
#4: Schnitt(g,h) := FIRST(SOLUTIONS([g,h],[x,y]))
#5: Tangentenabschnitt(a,x1,x2) :=
Schnitt(Tangente(a,x1), Tangente(a,x2))
#6: Dreieck(a,x1,x2) :=
[Schnitt(Tangente(a,x1),y=0), Schnitt(Tangente(a,x2),y=0),
Tangentenabschnitt(a,x1,x2)]
Zu einem beliebigen Dreieck D werden nun zwei Mittelsenkrechten konstruiert;
ihr Schnittpunkt ist der Umkreismittelpunkt.
#10: ms1(D) := ([x,y]-(D SUB 2 + D SUB 3)/2)*(D SUB 2 - D SUB 3) =0
#11: ms2(D) := ([x,y]-(D SUB 3 + D SUB 1)/2)*(D SUB 3 - D SUB 1) =0
#12: Umkreismittelpunkt(D) := Schnitt(ms1(D), ms2(D))
#13: Kreis(M,r) := ([x,y]-M)^2-r^2=0
#14: Umkreis(D):= Kreis(Umkreismittelpunkt(D),
ABS(Umkreismittelpunkt(D) - D SUB 1))
Der Beweis der Behauptung (für alle a und alle x1,
x2) wird dadurch erbracht, dass in die Umkreisgleichung
für die Variablen x und y die Koordinaten des Brennpunktes eingesetzt
werden:
#20: SUBST(Umkreis(Dreieck(a,x1,x2)), [x,y],
Brennpunkt(a) SUB 1, Brennpunkt(a) SUB 2) = (0=0)
Das Ergebnis “0 = 0” zeigt, dass die linke Seite der Kreisgleichung den
Wert 0 ergibt; sie wird also durch die Brennpunktkoordinaten erfüllt.
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